Siegfried Postler, Lehrer am
Markgraf-Ludwig-Gymnasium Baden-Baden, schreibt in
der Festschrift zu dessen 100-jährigem
Bestehen im Jahr 1992 über Reinhold
Schneider.
Der Dichter Reinhold Schneider,
geboren am 13. 5. 1903 in Baden-Baden, ist der
berühmteste "Ehemalige" unseres
Gymnasiums.
Als Sohn des Hoteliers Willy Schneider - Inhaber
des 1957 abgerissenen Hotels Meßmer - sollte
er seiner familiären Herkunft entsprechend
für das "praktische Leben" erzogen werden und
besuchte von 1912 bis zum Abitur 1921 das heutige
MLG. Seine Jugend fällt damit in eine Zeit des
Umbruchs und der tiefsten politischen,
gesellschaftlichen und geistigen
Erschütterungen. Nach seinen eigenen Worten
gewährten die Kindheits- und Jugendjahre in
Baden-Baden "... den letzten Blick auf eine Welt
und Gesellschaft, die im Jahre 1914 zu versinken
begann; es war der erste unverheilbare Bruch in
meinem Leben. Der erste Zusammenbruch, mit dem auch
die liberal-idealistische Bildung zusammenbrach,
die mir die Schule zu geben suchte, führte
mich zum totalen Pessimismus."
Markgraf-Ludwig-Gymnasium Foto: Wolfgang Peter
Nach dem Abitur fängt Reinhold Schneider eine
landwirtschaftliche Ausbildung an, bricht sie aber
schon nach 6 Monaten wieder ab. Bis 1928 lebt er
dann als kaufmännischer Angestellter in
Dresden. Mit einer ausgedehnten Reise nach Portugal
und Spanien sowie nach gründlichen
geschichtlichen Studien beginnt seine
schriftstellerische Arbeit.
Reinhold Schneiders Dichtung beschäftigt sich
mit dem Schicksal der Völker, "ihrem irdischen
und ewigen Sinn", mit der Verantwortung des
einzelnen und dem Konflikt zwischen Religion und
Macht. Er wird so zum Chronisten der großen
Umbrüche unseres Jahrhunderts.
Aus der Vorkriegszeit stammen die großen
historischen Romane: Camoes.
Untergang und Vollendung der portugiesischen Macht.
1929 Philipp
II. oder Religion und Macht. 1930 Die
Hohenzollern. Tragik und Königtum. 1933 Das
lnselreich. Gesetz und Größe der
britischen Macht. 1936
Unter dem Nationalsozialismus wird
Reinhold Schneider zum Gewissen Deutschlands. Der
englische Rundfunk nannte ihn 1945 einen "Rufer in
der Wüste".
Zwei Werke aus jener dunklen Epoche: Las Casas
von Karl V. 1938 und Das
Gottesreich in der Zeit. Sonette und Aufätze.
1942 - (Dieses Werk wurde im besetzten Krakau
geheim gedruckt)
Er selbst schreibt über die Zeit der
Naziherrschaft:
"Von 1933 an befand sich mein Schrifttum in
entschiedenem Gegensatz zum Staate; die Angriffe
der Presse setzten sofort ein und steigerten sich
von Jahr zu Jahr;... Seit 1940 bekam ich keine
Druckerlaubnis mehr. 'Las Casas von Karl V.' war
der mir mögliche Protest des Gewissens gegen
die Zeit, aber auch die europäische Geschichte
als Eroberung überhaupt. Während des
Krieges versuchte ich in religiösen Schriften
zu trösten, in Erzählungen Haltungen
gegenüber der Gewalt zu gestalten...das
Problem der Macht, die Frage: Was ist geboten? Was
ist erlaubt? ließ mich keinen Augenblick
los."
1943 und noch im April 1945 erfolgt Anklage beim
Reichssicherheitshauptamt und bei der Gestapo wegen
Defaitismus und Hochverrat.
Auch in den Nachkriegsjahren bleibt Reinhold
Schneider seinem Lebensziel treu. Er
beschäftigt sich mit den Ursachen des
geistigen und moralischen Zusammenbruchs; seine
Schriften, Zeitdarstellungen und Sonette kreisen um
die Themen: Macht und Gewissen, Freiheit und
Verantwortung und immer wieder um den Frieden in
der Welt. Gedanken
des Friedens. 1946
Verhüllter Tag. 1954 Die
Sonette von Leben und Zeit, dem Glauben und der
Geschichte. 1954
Reinhold Schneiders mahnende Stimme richtet sich
gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands, die er aus
christlichem Gewissen ablehnt. Sein Appell an die
Gewaltlosigkeit wird zwar im politischen
Tagesgeschäft nicht gehört, gleichwohl
ist er in dem nach Orientierung suchenden
Nachkriegsdeutschland eine moralische Instanz. Auf
einer Gedenktafel am Bühler Friedenskreuz
steht sein Name neben den Namen Charles de
Foucauld, Carl v. Osietzky, Martin Luther King und
Mahatma Gandhi.
1956 wird ihm in der Frankurter Paulskirche der
Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen,
und seine moralische Autorität kennzeichnete
Edzard Schaper mit den Worten "Deutschland hat ein
Gewissen, solange Reinhold Schneider lebt."
Schüler der Oberrealschule von 1912-1921,
Reinhold Schneider ist auf dem Bild ganz links.
(Abb. aus Festschrift "100 Jahre
Markgraf-Ludwig-Gymnasium").